Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Rottweil vor 80 Jahren

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In den Aprilwochen jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs im Südwesten. In Rottweil rückten französische Truppen am 20. April 1945 ein. Damit endete das verbrecherische „Dritte Reich“ auch hier.

Dass dies gerade auf „Führers Geburtstag“ fiel, ein im nationalsozialistischen Fest-Kalender als Ausweis glücklicher Fügung gefeiertes Datum, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Aufzeichnungen zufolge war es ein sonniger Frühlingstag, dieser 20. April 1945, an dem von mehreren Seiten französische Panzer in die Stadt einfuhren.

Auf starke Gegenwehr stießen die einrückenden Truppen nicht. Angesichts der erbitterten Schlacht um Crailsheim seit dem 5. April 1945 und der rücksichtslosen Härte, mit dem die Franzosen kurz zuvor in Freudenstadt gegen Widerstände vorgegangen waren, wollte kaum jemand sein Leben noch in einem offensichtlich sinnlosen Kampf aufs Spiel setzen.

So blieb Rottweil eine verheerende Beschießung, wie sie Freudenstadt erlitten hatte, erspart. Bei den unter anderem am Kriegsdamm errichteten Panzersperren war der „Volkssturm“ spät aber noch rechtzeitig abgerückt. Nach dem Willen des Regimes hätten sich alte und teils noch halbwüchsige junge Männer dem Feind mit völlig unzulänglicher Bewaffnung entgegenstellen sollen.

Dennoch kam es zu Kampfhandlungen und Todesopfern. So blutig wie etwa bei Balgheim, wo fanatisierte Hitler-Jungen versuchten, vorrückende französische Panzer aufzuhalten, war die Bilanz im Raum Rottweil gleichwohl nicht.

Über einem anderen Kapitel lag lange ein tabuisierendes Schweigen: Immer wieder kam es im Zusammenhang mit der Besetzung zu Übergriffen und Gewaltexzessen – insbesondere gegen Frauen. Verübt wurden sie von Angehörigen aller Besatzungsmächte. Das Ausmaß war unterschiedlich. Aber dass nur Soldaten der Roten Armee vergewaltigt hätten, ist eine durch die Lagerbildung des Kalten Kriegs verzerrte Sichtweise.

Zum Gesamtbild gehört indes, dass Vergewaltigungen Verstöße gegen die militärische Disziplin darstellten und Offiziere dem trotz der teils chaotischen Zustände vielfach entgegentraten – zum Beispiel in Oberndorf, wo es aus diesem Grund zur standrechtlichen Erschießung französischer Soldaten kam.

Den Betroffenen half das kaum. Wie sich in diesem und vielen anderen Kriegen gezeigt hat, tragen sie die Erfahrungen von Angst, Schmerz und Demütigung als lebenslanges psychisches Gepäck mit sich.

Insgesamt ist der der Schatten, den dieser Krieg auch auf die folgenden Jahrzehnte geworfen hat, immens. Zwar stürzte die deutsche Gesellschaft, anders als nach dem Ersten Weltkrieg, nicht langwierig in wirtschaftliche und politische Krisen ab. Gerade im westlichen Teil kam sie bereits ab den 1950er Jahren in den Genuss eines breiten Wohlstands und einer gefestigten Demokratie.

Viele mentale Wunden konnten in diesem begünstigten Kontext mehr oder weniger heilen. Aber die Erfahrungen von Mangel, Verlust und Trauer haben sich tief eingegraben – ein psychohistorisches Erbe, das auch über Generationen hinweg nachwirkt.

Schon länger deutlich belegt ist ein anderes Phänomen: Dass sich viele Deutsche aufgrund der leidvollen Erfahrungen mit Bombennächten, dem Einmarsch oder entbehrungsreichen Besatzungsjahren, als Opfer dieses Krieges wahrnahmen.

Dem entlastenden Mechanismus einseitiger Bewertung hat der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes 1985 entgegengehalten, dass „nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit“ zu suchen sei. Sie liege vielmehr „in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte.“ „Wir dürfen“, brachte es Weizsäcker, selbst Weltkrieg-Veteran, auf den Punkt, „den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.“

Den Zusammenhang zwischen dem von Deutschland entfachten Eroberungs- und rassischen Vernichtungskrieg und der von breiten Teilen der Bevölkerung mitgetragenen nationalsozialistischen Ideologie hatten auch die Franzosen im Blick, als sie kurz nach dem Einmarsch in Rottweil erste Entnazifizierungsmaßnahmen einleiteten.

146 Personen, die, wie die Franzosen damals dachten, den „nazistischen Bestandteil des Kreises“ darstellten, wurden gefangengenommen und in der Mädchenrealschule an der Königstraße interniert. Ab November 1945 tagten Ausschüsse für die Entnazifizierung. Bis Januar hatten sie 2787 Fälle in der Verwaltung geprüft und schlugen 197 Rückstufungen, 99 Entlassungen und 33 Amtsenthebungen vor.

Im öffentlichen Leben gab es einige Wochen nach der Besetzung Anzeichen einer gewissen Normalisierung. So genehmigte die Besatzungsmacht die Fronleichnamsprozession am 8. Juni 1945. Im Jahr zuvor war sie von den nationalsozialistischen Dienststellen wegen angeblicher Gefahren durch Luftangriffe untersagt worden. Bereits für den 2. Juni 1945 vermerken französische Quellen ersten Schulunterricht, am selben Tag wurden auch die Kindergärten wieder geöffnet.







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